1. Regionalkonferenz: Prozessbegleiter Gerald Mathis im Interview

Dr. Gerald Mathis vom Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung an der FH Vorarlberg begleitet u.a. den Prozess zur strategischen Regionalentwicklung im Planungsverband 36 Lienz und Umgebung. Ein Interview mit Karin Stangl von Radio Osttirol.

Wie kann so ein Standortentwicklungsprozess funktionieren? Was ist dazu notwendig?

Mathis: Es braucht zunächst einmal die Motivation, dass sich viele Gemeinden klar darüber werden, dass viele Dinge alleine einfach nicht mehr gehen. Da steht natürlich immer die Angst der Gemeindefusionen im Hintergrund. Es ist viel klüger zu überlegen, wo können wir kooperieren, anstatt zu fusionieren. So ist ein Prozess, der in diese Richtung denkt, ist auch ein gutes Mittel, diese Fusionsüberlegungen hintan zu stellen. Der zweite Punkt ist Vertrauen. Und der dritte Punkt ist das Durchhaltevermögen, das diese Gemeinden hier gezeigt haben. Sich dann zu überlegen: Was können wir gemeinsam für unsere Region tun? Das sind die wesentlichen Schritte. Klingt banal, ist aber nicht so einfach. Es gibt wenige, wirklich funktionierende regionale Zusammenarbeitsmodelle.

Foto: Phillipp Brunner, Brunner Images
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Acht Handlungsfelder haben sich im PV 36 herauskristallisiert. Was sind die wichtigsten? Was wird jetzt zu tun sein?

Mathis: Wir haben generell in der Regionalentwicklung vier ganz wichtige Themen: Das ist der Arbeitsplatz in einer zumutbaren Entfernung, die Mobilität, also die verkehrstechnische Erreichbarkeit, die digitale Mobilität, und dass dieser Prozess von innen heraus kommt. Dann kommen immer noch Themen wie beispielsweise Energie dazu, da kommen Infrastrukturthemen dazu, da kommen Verwaltungskooperationen dazu. Und das sind auch die acht Handlungsfelder, um die es im Zukunftsraum Lienzer Talboden geht.

Was konkret wird als nächstes passieren? Was wird konkret angegangen? Wie kann es funktionieren?

Mathis: Einige Dinge sind ja schon passiert. Dass heute diese Regionalkonferenz stattfindet, ist der erste Schritt. Wir haben jetzt die Struktur. Der zweite Punkt ist, dass wir zum Thema der Wirtschaftsentwicklung zumindest unter den Bürgermeistern/innen eine vernünftige Basis haben. D. h. wir wissen, dass Wirtschaftsentwicklung nur gemeinsam funktionieren kann. Das dritte Thema ist Mobilität, das wird man sicher ganz stark angehen müssen, und da wurden auch schon Schritte gesetzt. Der vierte Punkt sind die Internet- und Glasfaserentwicklungen. Das ist ein ganz wichtiges Thema für Regionen, weil 70% der Wertschöpfung in der EU werden mittlerweile in Dienstleistungen erwirtschaftet. Das ist auch eine ganz große Chance für den regionalen Raum. Hier kann man sich abgrenzen. Denn egal, wo das technische Büro sitzt, Hauptsache, die Internetverbindung funktioniert.

Foto: Phillipp Brunner, Brunner Images
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Es wurde auch ein gemeinsames Gewerbegebiet und ein Kommunalsteuerschlüssel angesprochen. Wie bekommt man die Gemeinden dazu, dass nicht Jeder für sich, sondern Jeder für alle denkt?

Mathis: Aus der Erfahrung heraus und auch unter Experten mittlerweile unbestritten, lässt sich sagen, dass weniger die Kommunalsteuer das Problem ist. Das zentrale Thema ist der Arbeitsplatz im regionalen Umfeld. Da geht es dann darum, dass wir den Arbeitsplatz gemeinsam fördern, entwickeln und auch entsprechend pflegen. Die Dinge sind nicht so kompliziert. Man muss sich nur im Klaren darüber sein, dass man einen entsprechenden Schlüssel für Erträge und Lasten aufstellt, dass man entsprechend investiert, und dann die Erlöse gemeinsam in diesem Schlüssel aufgeteilt werden. Das ist keine große akademische Leistung, man muss es nur einfach tun.

Wie weit ist der Weg noch bis zum Tun?

Mathis: Der Weg ist nicht einfach, er ist schwierig, weil wir historische Strukturen haben. Gemeinden sind vielfach noch im Kirchturmdenken verhaftet, und es sind ja nicht nur die Bürgermeister/innen, die hier zu entscheiden haben, sondern es sind die einzelnen Gemeindeparlamente, die ganz sicher manchmal in einem mühsamen Prozess von diesem Weg überzeugt werden müssen. Und es geht im demokratischen Rahmen immer nur mit Überzeugung.